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Italo Calvino - Wenn ein Reisender in einer Winternacht

Dieser Roman hat eine außergewöhnliche Form. Er besteht aus zehn Romananfängen, die durch eine Geschichte, in der der Leser die Hauptperson ist, zusammengehalten werden. Der Leser fängt immer ein Buch an zu lesen und wird dann unterbrochen, meistens kommt das Buch dann abhanden und wenn er denkt, er hätte ein neues Exemplar in den Händen, ist es doch ein anderes Buch. Die Romananfänge spiegeln verschiedene Romantypen wieder, sowohl Trivialliteratur als auch Actiongeschichten und erotische und phantastische, und brechen immer an einer spannenden Stelle ab. Im Zwischenroman geht es vor allem und das Lesen und Schreiben von Büchern und die Idee des ganzen Buches wird auch erklärt. Calvino ist nämlich fasziniert von Romananfängen: Am Anfang ist noch alles in der Schwebe, tausend Möglichkeiten ergeben sich, aber wenn man weiterschreibt, grenzt man alles ein und die meisten möglichen Geschichten gehen verloren. Daher müßte ein Roman mit lauter Anfängen doch ungeahnte Fantasiewelten erzeugen. Zudem wäre es schön, wenn ein Autor genau das schreiben könnte, was jemand lesen will, wenn das Buch sozusagen durch das Lesen entsteht. In der Geschichte lernt der Leser in einer Buchhandlung Ludmilla kennen,  die Bücher liebt und für die Lesen Leben bedeutet. Er heiratet sie am Ende. Ihre Schwester Lotaria dagegen liest nur Computerzusammenfassungen von Büchern, weil sie das wichtigste daraus schnell extrahieren möchte.

Das Buch ist irgendwie verrückt und hat mir nicht so gut gefallen. Mir haben die Romananfänge keine Fantasiewelten eröffnet, sondern ich hätte einfach gern gewußt, wie es weitergeht. Laut Kindlers Literaturlexikon parodiert Calvino in den jeweiligen Anfängen auch Erzähler, ich weiß aber nicht welche. Für einen Literaturwissenschaftler mag das interessant sein.

24. August 2006

in Rom, August 2006