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Fjodor Dostojewski - Der Idiot

Der Titelheld dieses 1868 erschienenen Romas ist Fürst Lew Nikolajewitsch Myschkin, der an Epilepsie – damals: Idiotie – leidet und nach mehreren Jahren ziemlich erfolgreicher Kur in der Schweiz zurück nach Russland kommt. Gleich am ersten Tag bekommt er über eine entfernte Verwandte Kontakte in die dortige Gesellschaft, in die er vollends eintaucht. Er kommt als armer Mann, hat dann aber das Glück, ein ausreichendes Vermögen zu erben, so daß er nicht arbeiten muß und am Tun und Lassen der Gesellschaft teilnehmen kann. Der ganze erste Teil des Buches spielt an einem Tag. Fürst Myschkin lernt zwei Schönheiten kennen, die eine – Nastassja Filipowna Baraschkowa – ist eine Waise und gilt als gefallene Frau wegen vermuteter unschicklicher Beziehungen zu ihrem Ziehvater. Myschkin liebt sie aus Mitleid und sieht in ihr ein Opfer und keine Täterin. Die andere Frau ist Aglaja Jepantschin, die jüngste von drei behüteten Generalstöchtern. In sie verliebt sich Myschkin richtig. Im Grunde handelt der ganze Roman von familiären Verwicklungen und Liebesgeschichten, die auch den Fürsten einschließen. Dieser ist, wohl wegen seiner Krankheit, ein wenig welterfahrerener, aber extrem gutherziger, bescheidener, ehrlicher und naiver Mensch, den alle achten, auch wenn sie über seine Art spotten. Es passiert sehr viel auf den 900 Seiten dieses Schmökers und er endet mit dem erneuten Ausbruch der Epilepsie bei Fürst Myschkin nach einem Mord. Der Hauptgedanke Dostojewskis in dem Roman ist die Darstellung der reinen Schönheit, die bei ihm aber nicht ästhetisch gemeint ist sondern moralisch. Der Titelheld verkörpert diese Schönheit in vollkommener Weise, auch wenn er dadurch selbst zu einem Opfer wird: Er kann sich nicht zwischen der echten Liebe zu Aglaja und der mitleidigen Liebe zu Nastassja entscheiden und verliert beide.

Das Buch liest sich leicht und ist unterhaltsam. Natürlich wird die Petersburger Gesellschaft dieser Zeit detailliert beschrieben und karikiert. Auffallend sind zwei von Dostojewski in die Unterhaltungen eingestreuten leidenschaftlichen Plädoyers: Eines gegen die Todesstrafe und eines gegen die Jesuiten als Ursache des sich in Westeuropa ausbreitenden Atheismus.

Mir gefällt diese Art Roman und ich kann den „Idioten“ Liebhabern klassischer Literatur, die ein wenig Zeit zum Lesen mitbringen, empfehlen.

17.11.2007