zurück zur Bücherliste

Milton Friedman - Kapitalismus und Freiheit

Dieses Werk des radikalen Liberalen Friedman ist Lehrbuch, wissenschaftliche Abhandlung und philosophische Lektüre in einem. In übersichtlichen Kapiteln behandelt er verschiedene Aspekte des Liberalismus, entwickelt jeweils eine Theorie und leitet politische Handlungsempfehlungen daraus ab. Dabei verzichtet er auf formale Modelle und empirische Studien. Er geht von dem homo oeconomicus in seiner Reinform aus und dies ist der Punkt, an dem er in meinen Augen höchst angreifbar wird: In manchen Fällen kann eine höhere Institution wie der Staat oder ein Unternehmen etwas bewirken, das der einzelne aus Unwissenheit oder Bequemlichkeit nicht tun würde, auch wenn es vorteilhaft wäre. Die Menschen sind einfach nicht so rational, wie die Ökonomen es sich vorstellen! So plädiert Friedman für die Abschaffung der staatlichen Schulen, weil ein Kosten-Nutzen-Analyse des einzelnen zu ausreichend Schulbildung führen muß. Bestenfalls sollten Gutscheine ausgegeben werden, die jeder bei einer beliebigen Bildungseinrichtung abgeben kann, wodurch diese dann eine bestimmte Menge an Geld vom Staat erhält. Die mit der Suche verbundenen Transaktionskosten sowie die Trägheit bildungsferner Schichten blendet er hierbei aus.

Das Thema der sozialen Verantwortung von Unternehmen wurde offensichtlich in den sechziger Jahren bereits so diskutiert wie heute. Die schwierige Frage ist, was soziale Verantwortung genau bedeutet und warum ein gewinnoptimierendes Unternehmen nicht „am sozialsten“ handelt, wenn es den Eigentümern möglichst viel Geld einbringt, das diese dann dort einsetzen können, wo sie es als sozial empfinden.

Hochinteressant ist die Analyse von Monopolen. Von den drei Formen privatwirtschaftliches, unreguliertes Monopol; privatwirtschaftliches, reguliertes Monopol und staatliches Monopol sieht er in ersterem das geringste Übel. Denn in einem solchen wird sich Wettbewerb bilden, wenn der technische Fortschritt das natürliche Monopol eines Tages auflöst, während bei regulierten oder staatlichen Monopolen neue Firmen nicht eintreten können. Er spricht dem Staat ab, besseres Wissen über die wirtschaftlichen Zusammenhänge zu haben als der Markt. Friedman plädierte schon in den sechziger Jahren für die Abschaffung des Postmonopols – wie lange hat es doch bis zu der Umsetzung gedauert! Auch die Rentenproblematik hat er damals schon ins Auge gefaßt, wenn auch nicht durch die demographische Veränderung bedingt.

Einige von Friedmans Ideen sind im Laufe der Zeit allgemein umgesetzt worden, so die Abschaffung des Goldstandards, die Verringerung von Zöllen (auch wenn das noch lange ein Thema sein wird im Zusammenhang mit Entwicklungsländern) und die Einführung freier Wechselkurse. Andere Ideen wurden höchstens zeitweise verfolgt, so die Zurückhaltung des Staates bei den Ausgaben. Er nennt mehrere Gründe, warum staatliche Konjunkturpolitik nicht zielführend ist (an dieser Stelle ein kleiner Hinweis auf einen interessanten Artikel von Robert v. Weizsäcker, der erläutert, warum Politiker doch immer dafür sorgen, daß die Staatsquote wächst).

Zum Thema Diskriminierung meint Friedman, daß sie selbstschädigend ist und sich somit im Laufe der Zeit immer von selbst auflösen wird. Er spricht dabei ganz besonders das Problem von Schwarzen und Weißen in Amerika an. Daß aber früher – wie vielleicht auch noch heute – weiße Menschen aus emotionalen Gründen durchaus wirtschaftliche Nachteile hinnahmen, die eine Diskriminierung schwarzer Arbeitskräfte mit sich bringt, wird nicht diskutiert, weil es dem Bild des rationalen Menschen widerspricht.

„Kapitalismus und Freiheit“ ist ein Buch, daß mich sehr zum Nachdenken angeregt hat. Ich habe mehrfach versucht, mir meiner eigenen Position zu den Themen bewußt zu werden. In manchen Sachen denke ich sehr liberal und stimme mit Friedman überein, an anderen Stellen zeigen mit mein Wissen und meine Erfahrung, daß Kapitalismus oder Liberalismus in ihrer reinen Form eine Gesellschaft nicht zufrieden stellen können und staatliche Eingriffe notwendig sind. Die Menschen müßten vernünftiger und intelligenter sein, damit eine wirklich liberale Volkswirtschaft funktionieren würde. Für jeden an Wirtschaft Interessierten ist das Buch zu empfehlen, zumal es sich recht gut liest.

13. August 2006

Die Franckeschen Stiftungen in Halle an der Saale