Max Frisch - Mein Name sei Gantenbein
Dieser Roman perfektioniert das Spiel: Was wäre wenn? Der Ich-Erzähler stellt sich Geschichten vor, mit verschiedenen Verläufen und Personen. Gleich am Anfang steht dazu: „Ein Mann hat eine Erfahrung gemacht, jetzt sucht er die Geschichte dazu.“ Später auch noch: „Ich probiere Geschichten an wie Kleider.“
Die Hauptgeschichte erzählt von Gantenbein, der nach einem Unfall, bei dem seine Gesichtswunden zur Blindheit hätten führen können, was aber nicht der Fall ist, einfach tut, als wäre er blind. Er kauft sich eine Blindenbrille und einen Stock, überlistet sogar die Amtsärzte, um eine Armbinde zu bekommen. Er heiratet eine Schauspielerin, Lila, mit der er viel erlebt. Er hat die Vermutung, daß sie ihn betrügt, aber die Indizien dazu sieht er nur, kann sie also als vermeintlich Blinder eigentlich nur ignorieren. Es stellen sich verschiedene andere solche Probleme, aber er kommt gut durchs Leben. Wobei er nie sicher ist, ob nicht doch andere seine Scheinblindheit durchschauen.
Es ist ein hypothetisches Buch, ein Buch der Möglichkeiten und der Phantasie. An ein paar Stellen bricht der Erzähler ab, weil er merkt, daß seine erdachte Geschichte zu einem schlechten Ende kommt oder nicht weiterführt und setzt an anderer Stelle wieder an. Zwischenzeitlich gibt er auch Lila einen anderen Beruf oder beginnt eine ganz andere Geschichte, zu der er vielleicht später wieder den Bogen findet.
Ich glaube, jeder hat sich schon einmal Gedanken gemacht, wie ein Erlebnis ausgesehen hätte, wenn man sich ein wenig anders verhalten hätte. Aber wie ist es, wenn man diese Geschichten richtig lange weiterspinnt? Mir gefällt es gut, wie in dem Roman immer alles in der Schwebe ist und man nicht weiß, was nun wahr ist und was erfunden (das wird auch nie aufgelöst). Es liest sich relativ leicht.
20. Juli 2006