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Nagib Machfus - Die Kinder unseres Viertels

Durch den Tod des Autors (Nobelpreisträger 1988) bin ich auf diesen Roman aufmerksam geworden. Er hat mich anfangs gefesselt, doch dann hatte ich zeitweilig keine Lust mehr auf das Buch, so daß ich lange benötigt habe, um es zu beenden. Es ist sicher nicht einfach zu lesen und ist anspruchsvoll – aber eine klare Aussage wird deutlich: Die Gewalt ist ein Teufelskreis und wir Menschen müssen endlich lernen, damit aufzuhören.

Die Kinder unseres Viertels ist ein Roman über die monotheistischen Religionen. Die fünf Hauptkapitel lassen sich als die biblischen Geschichten von Adam, Moses und Jesus interpretieren, sowie Mohammeds Geschichte und einer Abhandlung über die Moderne. Hierbei werden Moses, Jesus und Mohammed (aus muslimische Sicht sind es drei Propheten) nebeneinandergestellt und der Bezug zum gleichen Gott betont. Die biblischen Geschichten verblüffen teilweise mit ihrer Detailgenauigkeit, auch wenn der Rahmen und die Namen komplett anders sind. Es geht um ein Stadtviertel von Kairo und das große verschlossene Haus von Gabalawi mit dem paradiesischen Garten. Über die Ähnlichkeiten zum muslimischen Glauben kann ich nichts sagen, aber sie müssen wohl eher noch größer sein, ist doch der Autor selbst Moslem. Das Buch hat so viele Kapitel wie der Koran Suren. Der gemäßigte Glaube des Autors hat seine Kritiker nicht daran gehindert, das Buch zu verbieten und ihn zu bedrohen, so daß der Roman erst sehr verspätet und über Umwege weit verbreitet wurde. Auf mich wirkt das Buch vielleicht etwas religionskritisch, aber nicht zu sehr und die Reaktionen damals erscheinen mir kraß. Auf der anderen Seite gibt es vergleichbare Reaktionen auf Religionskritik auch heute wieder...

Die Jesus-Geschichte ist in meinen Augen blaß, denn er wird als ziemlich weltferner Spinner dargestellt. Das mag Jesus auch gewesen sein, aber er wird einem in der Geschichte nicht sympathisch. Im ersten Teil geht es unter anderem um einen gefallenen Engel, bei dem ich sofort an Luzifer denken mußte, wobei KLL aber auf eine vergleichbare Begebenheit im Koran hinweist. Der letzte Teil geht um die Magie, übersetzt ist das die Wissenschaft, aber mir erschließt sich die Bedeutung dieses Teils nicht wirklich. Die Wissenschaft scheint Gott indirekt zu töten (Arafa tötet versehentlich Gabalawis Diener, woraufhin Gabalawi vor Kummer stirbt, aber kurz vorher seiner Dienerin mitteilt, daß sein Wohlgefallen auf Arafa ruht, was diese Arafa am Ende erzählt), aber Gott möchte, daß wir Wissenschaft betreiben.

Jeder der fünf Teile außer dem ersten beginnt damit, daß es den Leuten schlecht geht und ein Held sich aufmacht, Ihr Schicksal zu verbessern. Jedesmal geht es einige Generationen nach dem Tod des jeweiligen Helden wieder allen schlecht und die Gewalt grassiert. So wird die nötige Abkehr von der Gewalt eindringlich dargestellt.

Dieser anspruchsvolle und hintergründige Roman ist denen zu empfehlen, die sich  gern philosophische und theologische Gedanken machen und dabei auch einige Vorkenntnisse besitzen, denn gerade durch das Erkennen von den Parallelen zu den Ursprungsgeschichten bzw. vermutlichen Erfindungen (Turnvereine zur Zeit Mohammeds) wird das Buch amüsant.

13. Juni 2007