Pascal Mercier - Nachtzug nach Lissabon
Ein Altsprachen-Lehrer an einem Berner Gymnasium namens Raimund Gregorius wird durch einen eigentlich unbedeutenden Zufall (er trifft im Regen eine Portugiesin, die seiner Meinung nach gerade von einer Brücke springen möchte) eines Morgens aus seinem Leben gerissen, weil plötzlich eine Unruhe ihn ergreift und er wegen eines portugiesischen Buches, das er entdeckt, nach Lissabon reist, um mehr über das Buch und dessen Autor zu erfahren. Dies ist von einem portugiesischen Arzt (Amadeu de Prado) geschrieben worden, der schon 30 Jahre tot ist. Er schreibt philosophische Alltagsgedanken auf (z.B. über die Einsamkeit und über das Ärgern) und Ereignisse aus seinem Leben. Zum Beispiel über das schwierige Verhältnis zu seinem Vater. Gregorius ist fasziniert von den Texten und will alles über den Arzt ausfindig machen. Er trifft dessen Schwestern und verschiedene andere Personen, die den Arzt kannten und ihm weitere Auskunft über das Leben damals unter dem Diktator Salazar und über Prados Tätigkeit im Widerstand geben. Die ganze Reise verändert Gregorius sehr, er war früher ein trockener, planvoller und sparsamer Lehrer und gibt sich nun plötzlich seinen Emotionen und Interessen hin, wie er es früher nie gewagt hätte. Das Ende ist ziemlich offen.
Über diesen Bestseller wurden schon etliche Rezensionen geschrieben – sehr polarisiert. Die Kritiker haben Recht damit, daß die Geschichte ziemlich konstruiert wirkt, ganz besonders der Anfang aber auch durch die Tatsache, daß Gregorius alle Personen auftreibt, die er finden will, und keine verstorben ist oder nicht mit ihm reden möchte. Zudem stehen die eigentliche Handlung und die philosophischen Gedanken ziemlich unabhängig nebeneinander. Dennoch ist das Buch spannend, hintergründig und regt zum Nachdenken an. Mich hat gefreut, daß die Hauptperson Gregorius heißt, wie es auch bei Thomas Mann im „Erwählten“ der Fall ist. Ich habe mir mehrere Textstellen herausgeschrieben über Dinge, über die ich auch schon nachgedacht habe.
Der Roman ist daher Menschen zu empfehlen, die Anregungen fürs Weiterdenken haben wollen und philosophischen Schwierigkeiten nicht abgeneigt sind.
10. Sep. 2007