Joachim Meyerhoff - Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke
Nachdem ich bereits das erste autobiographisch gefärbte Buch von Meyerhoff letztes Jahr las („Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“), habe ich nun den dritten Teil gelesen, in dem der Autor in München an der Schauspielschule lernt und bei seinen Großeltern wohnt. Wieder liest sich das Buch sehr gut, mit viel Alltagskomik und einer sehr lapidaren Betrachtungsweise.
Eigentlich wollte er nur bei den Großeltern wohnen, während er eine Wohnung sucht, aber dann blieb er hängen und fühlte sich dort sehr wohl. Die Großeltern sind etwas skurril, aber sehr liebenswert gezeichnet und als interessante Personen dargestellt. Was aber bei einer Schauspielerin und einem Philosophieprofessor vielleicht auch nicht verwunderlich ist. Der Alltag an der Schauspielschule ist ein starker Kontrast. Das große Problem mit der Ausbildung ist, dass der Ich-Erzähler eigentlich gar nicht im Mittelpunkt stehen will und daher stets versucht, sich auf der Bühne zu verstecken. Meistens gelingt ihm die Schauspielerei auch nicht sehr gut, er erlebt jedoch auch ein paar glanzvolle Momente und will die Schule auch nicht abbrechen. Das liegt aber auch daran, dass er nicht weiß, was er sonst machen soll. Er befindet sich in einer sehr langgezogenen Selbstfindungsphase, die auch nach Abschluss der Ausbildung noch nicht beendet ist. Von daher besteht ein Bezug zu Goethes „Werther“. Der Titel, den ich zunächst etwas komisch fand, ist ein Zitat daraus.
Ich habe mit darstellender Kunst keine Erfahrung und fand die Beschreibungen, was die Schauspielschüler lernen, sehr interessant und amüsant. Die Planlosigkeit des Erzählers ist zwar manchmal etwas anstrengend, macht ihn aber irgendwie auch sympathisch und menschlich. Er ist kein klassischer Held, er zeigt aber ausreichend Selbstironie, um liebenswürdig zu sein. Insgesamt kann ich das Buch sehr empfehlen.
7. Januar 2018