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Boris Pasternak - Doktor Schiwago

Der Roman beginnt mit mehreren Handlungssträngen, die den Leser etwas verwirren. Zeitlich umfasst er die Jahre von der ersten russischen Revolution von 1905 bis zum Ende der Zwanziger Jahre. Der Waise Jurij Schiwago (auch Jura genannt) wächst bei Verwandten und Pflegeeltern auf und und wird trotz seiner schriftstellerischen Ambitionen Arzt. Er heiratet die Tochter seiner Pflegeeltern, Antonina, Tonja genannt. Parallel wird die Geschichte von Larissa Guichard (Lara genannt) erzählt, Tochter aus einfacheren Verhältnissen, die ihren Jugendfreund Pascha heiratet. Zuvor jedoch muss sie sehr unter einem „Gönner“ der Familie leiden, Komarovski, der sie missbraucht. Als sozialistisch gesinnter Mann geht Schiwago als Arzt an die Front und lernt dort Lara kennen, die auf der Suche nach ihrem Mann als Krankenschwester an die Front ging. In der Revolution zieht Schiwago mit Familie aufs Land und trifft in der nahen Stadt Lara wieder, die Lehrerin ist. Sie beginnen ein Verhältnis, jedoch behaupten beide auch stets, ihre Ehegatten zu lieben.

Schiwago wird von Partisanen entführt und arbeitet als (gefangener) Arzt 18 Monate für Partisanen im russischen Bürgerkrieg. Als er zurückkehrt, ist seine Familie wieder in Moskau und wie er später erfährt, in den Westen ausgewiesen worden. Er wird sie nicht wiedersehen. So lebt er nun mit Lara, allerdings ist das Leben in der Stadt sehr gefährlich und bald versuchen sich die beiden mit Laras Tochter zusammen auf dem Land zu verstecken. Schiwago hat sich längst von sozialistischen Ideen verabschiedet und ist ein Dissident geworden. Auch auf dem Land ist das Überleben nicht gesichert und als Komarovski auftaucht und Lara ins Ausland bringen will, willigt Schiwago schweren Herzens ein – ein endgültiger Abschied von Lara. Er kehrt zurück nach Moskau und gründet eine neue Familie, wenn auch ohne zu heiraten. Er arbeitet nicht mehr als Arzt, sondern schreibt Gedichte, wird aber schwacher und herzkrank und stirbt letztlich an Herzversagen auf offener Straße. Am Ende wird noch (leicht verschlüsselt beschrieben) klar, dass Lara eine Tochter von Schiwago hatte.

Das Buch passt gut zu den mir bekannten alten russischen Romanen – weil es eine Familiengeschichte über einen langen Zeitraum ist. Natürlich spielt die Geschichte zu einer ganz anderen Zeit als die Romane von Dostojewski und Tolstoi, dennoch gibt es Ähnlichkeiten, wie z.B. die Landschaftsbeschreibungen. Durch den Archipel Gulag weiß ich ja nun einiges über das Russland des 20. Jahrhunderts und das Chaos und die Schreckensherrschaft werden auch im Schiwago deutlich.

Die berühmte Liebesgeschichte von Lara und Jura nimmt nur einen kleinen Teil des Buches ein und daher hatte ich falsche Erwartungen. Das Buch hat durchaus seine Längen (es sind ja auch mehr als 600 Seiten), man muss sich für winterliche Landschaftsbeschreibungen begeistern können und Nebengeschichten passen manchmal kaum ins Gesamtbild. Dennoch liest sich das Buch gut und ergreift einen an vielen Stellen.

19. Juni 2011