Ulf von Rauchhaupt - Wittgensteins Klarinette
Geschichte und Zukunft des Wissens
Als Sachbuch mit vielen Fakten und Erkenntnissen ist das Buch nicht leicht zusammenzufassen. Dennoch will ich versuchen, die wichtigsten Aussagen darzustellen.
Von Rauchhaupt beginnt mit der geschichtlichen Entwicklung des Wissens, und zwar wie in der Evolution die Wissenden sich durchsetzten, weil sie bessere Überlebenschancen hatten. Nicht nur beim Menschen, sondern auch bei den Tieren. Vom englischen Philosophen Francis Bacon stammt „Tantum possumus quantum scimus“ oder kurz „Wissen ist Macht“. Im alten Griechenland tauchte neben dem praktischen Wissen die Theorie auf, Wissen über Hintergründe, das keinen direkten Nutzen brachte, aber den Menschen und die Gesellschaft weiterentwickelte. Heute heißt es eher grundlegendes und angewandtes Wissen oder auch Leistungs- und Orientierungswissen. Beides ist nötig für uns Menschen heute und all die Debatten darüber, was man lehren und lernen sollte, sind eigentlich unnötig, wenn man bedenkt, daß Wissen Spaß machen kann und der Mensch eigentlich neugierig auf neues Wissen ist. Der Sinn des Wissens liegt im Leben, aber auch ein Sinn des Lebens liegt im Wissen.
Die Zunahme des Wissens ist exponentiell und wurde und wird durch die Informations- und Kommunikationstechniken tendenziell noch beschleunigt. Zugleich bieten die Computer die Möglichkeit, diese Informationsflut zu ordnen und für uns handhabbar zu machen. Sie sind also Segen und Fluch zugleich.
Doch was ist „Wissen“ eigentlich? Von Rauchhaupt definiert es so: Wissen ist organisierte Information, mit der sich sinnvolle Fragen begründbar beantworten lassen. Wenn wir den Begriff verwenden, denken wir ihn immer positiv, d.h. wenn wir von Wissen reden, meinen wir richtiges Wissen, sonst wird es explizit als falsches Wissen benannt. Die Begründung von Wissen sollte unter Berücksichtigung aller zu dem Sachverhalt bekannten Informationen stattfinden, was die Wissenschaft aber eher tut als der Mensch im Alltag. Trotzdem ist Wissen nicht immer wahr, es kann auch eine entscheidende Information fehlen.
Das Informationszeitalter birgt einige Schwierigkeiten, so die schwindende Haltbarkeit der Daten, weil die Datenträger nicht für die Ewigkeit gemacht sind und die technischen Standards sich schnell ändern. Auch ist es ein Problem, aus der Flut der Informationen die richtigen herauszufinden und zwischen richtigen und falschen zu unterscheiden. Authentizität gibt es praktisch nicht mehr, weil sich Nullen und Einsen (die Grundlage aller digitalen Speicherung) leicht und teilweise nicht herausfindbar fälschen lassen. Auch sind wir Menschen praktisch dazu verpflichtet, unser Wissen ständig zu erweitern, da wir aus der Gesellschaft ja nicht aussteigen können und also zu den Verlierern und Manipulierbaren gehören, wenn wir uns dem Wissen verweigern. Die Welt ist aber so komplex geworden, daß sich durchaus Leute dem Wissen verweigern, es kommt zu romantischen Verklärungen der Vergangenheit, zum „Kult der Ignoranz“, d.h. dem Stolz auf beispielsweise mathematische Unbildung und zur Blüte von Parawissenschaften. Das sind im Gewand von Wissenschaft herkommende scheinbare Erkenntnisse und Erfahrungen, die einer genauen wissenschaftlichen Überprüfung nicht standhalten, die aber geglaubt werden, wenn sie präsentiert werden mit der Aussage: Die Wissenschaft hat festgestellt... Hierzu gehört vor allem die Esoterik. Sie ist gefährlich, weil sie eine Harmonie von Wissen und Werten vorgaukelt, die es nicht gibt. Die ethischen Normen, die Esoteriker ihren jeweiligen Lehren entnehmen, sind genauso wenig durch Forschung abgesichert wie die traditionellen, vor-wissensgesellschaftlichen auch. Dennoch tun sie so, als wären sie abgesichert.
Die Zukunft des Wissens sieht von Rauchhaupt schließlich in drei Wissenskategorien, die jeder benötigt: Metawissen (oder Methodenwissen), Rasterwissen, um neue Information einordnen zu können (z.B. geschichtliches Rahmenwissen) und Ankerwissen. Dieses ist Spezialistentum auf einem (kleinen) Gebiet, das einem zeigt, wie man zu einem Spezialisten wird und die Angst vor anderen Spezialisten nimmt und von dem man Analogien zu Neuem ziehen kann.
Den Schwierigkeiten der Wissensgesellschaft muß man also mit Bildung begegnen.
4.9.05