Asne Seierstad - Der Buchhändler aus Kabul
Eine Familiengeschichte
Die norwegische Journalistin Seierstad war kurz nach dem Ende der Taliban in Afghanistan, lernte dort einen Buchhändler kennen und lebte mehrere Monate mit dessen Familie. Diese Erfahrungen und Eindrücke, aber auch Geschichten, die sie nur erzählt bekommen hat, sind in dem Buch niedergeschrieben. Es zeigt ein Land zwischen Tradition und Moderne und einen geschäftstüchtigen, nach außen hin modernen Mann, der zu Hause ein ganz traditioneller Familienpatriarch ist und alles bestimmt. Die große Familie leidet unter ihm, aber wagt ihm auch nicht zu widersprechen. Die Frauen wollen aus der Enge und der Arbeit entfliehen, trauen es sich aber letztlich nicht und sind durch die vergangene Zeit so geprägt, daß sie weiterhin Burkhas tragen und sich vor fremden Männern fürchten. Sultan Khan, das Familienoberhaupt, kommt aus einer relativ armen Familie, hat aber Bauingenieur studiert und es dann als Buchhändler (weil er Bücher so liebt) zu Wohlstand gebracht. Die Söhne werden allerdings früh aus der Schule genommen, um ihm zu helfen. Seine erste Frau ist Lehrerin, aber die Töchter dürfen sich nicht gut ausbilden.
In diesem ersten Frühling nach der Taliban-Zeit herrscht allgemein Hoffnung auf eine bessere Zukunft, dennoch ändert sich das Leben nur ganz langsam, Ehen werden weiterhin arrangiert, die fast vollkommene Trennung zwischen Mann und Frau wird nicht aufgehoben.
Das Buch liest sich gut, ist interessant und schön und zeigt einem eine Welt, von der man nicht glauben mag, daß sie so existiert. Es ist aber auch ein sehr trauriges Buch, weil es besonders für die Frauen eigentlich keine Hoffnung auf eine bessere Zukunft aufkommen läßt. So lange es traditionelle Familienoberhäupter gibt, wird das Land kaum Fortschritt erfahren.
28. März 2005