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Uwe Tellkamp - Der Turm

Insgesamt hat mir dieser dicke Roman gut gefallen. Dennoch habe ich im Detail einige Kritikpunkte, und damit scheint es mir ähnlich zu gehen wie vielen anderen Lesern. Zumindest sind die Meinungen im Netz sehr unterschiedlich. Tellkamp schreibt die Geschichte einer bürgerlich lebenden Familie im Dresden kurz vor der Wende. Dass es auch zu DDR-Zeiten solch bürgerliches Leben gab, war mir so nicht bewusst. Hausmusik, Literatur, Geschichte und natürlich „der Westen“ interessiert diese Menschen und diese Themen sind nicht immer leicht zu vereinbaren mit dem alltäglichen Leben im real existierenden Sozialismus. Die Geschichte dreht sich zum großen Teil um Christian Hoffmann, seinen Vater Richard und dessen Schwager Meno Rohde. Christian ist Oberschüler zu Beginn des Buches, macht Abitur und ist dann bei der Armee. Er ist nicht angepasst genug und gerät immer wieder in Schwierigkeiten. Sein Vater ist Chirurg, hat eine Geliebte und ein uneheliches Kind und hilft seinem Sohn aus der Patsche. Onkel Meno ist geschieden und sehr exzentrisch; eigentlich ein Biologe, Spinnenforscher, hauptberuflich aber Lektor in einem Verlag. Abgesehen von Christians Erlebnissen passiert eigentlich nicht soviel im Buch, sondern es ist in weiten Teilen eine Beschreibung des Lebens zu der Zeit an dem Ort. Die materiellen Engpässe, von denen man stets denkt, sie können kaum schlimmer werden, was sie dann doch tun, und die schikanierende Bürokratie können letztlich die Lebensfreude der Charaktere nicht dauerhaft trüben. Mit Christian leidet man sehr, wenn ihm wieder ein Missgeschick unterläuft – er ist der lebendigste Charakter des Buches. Die anderen bleiben etwas schemenhaft, auch werden viele Fragen aufgeworfen oder Themen angeschnitten, die nicht weiter verfolgt werden.

Der Stil des Buches ist (absichtlich) sehr uneinheitlich – normale Erzählabschnitte wechseln sich ab mit Briefen, Tagebuchberichten und Gedankenflüssen. Die letzten beiden Kategorien lesen sich nicht so gut. Die wechselnden Stile sind wohl Anlehnungen an bekannte Autoren. Gegen Ende lässt die Qualität des Romans in meinen Augen nach und das abrupte Ende zum 9. November 1989 beantwortet nicht die Frage, wie sich die Personen nach der Wende in der neuen Ordnung zurechtgefunden haben, was aus ihnen geworden ist. Das finde ich schade. Man hätte das Buch also auch etwas knapper fassen können, man liest doch recht lange an den tausend Seiten. Aber ich fand es insgesamt interessant, natürlich auch durch meinen Bezug zu Dresden. Von daher kann ich es Lesern empfehlen, die sich für den DDR-Alltag oder einfach nur Dresden interessieren.

16. März 2009