Stefan Zweig - Rausch der Verwandlung
Diesen Roman hat Zweig nicht beendet und er erschien posthum aus diversen Skripten zusammengesetzt. Dadurch hat er einen gewissen Bruch in der Mitte. Dennoch habe ich ihn mit großem Vergnügen gelesen und kann ihn sehr empfehlen.
Eine junge Frau hat im ersten Weltkrieg Vater und Bruder verloren und lebt nun als Postassistentin in einem Wiener Vorort sehr bescheiden mit ihrer Mutter zusammen. Ihre nach USA ausgewanderte Tante, die dort einen reichen Mann gefunden hat, ist in der Schweiz zu Besuch und lädt Christine zu einem Besuch in ein Luxushotel in Pontresina ein. Sie lernt dort ein völlig anderes Leben kennen und gibt sich dem „Rausch der Verwandlung“ hin, zumal sie für eine Tochter oder zumindest eine ebenfalls reiche Verwandte der Tante gehalten wird. Die Männer umwerben sie, und unvermeidlich wird eine andere junge Frau auf sie neidisch, deckt ihre einfache Herkunft auf und die Tante schickt Christine umstandslos wieder nach Hause. In ihrem alten Leben findet sich Christine nicht mehr zurecht. Sie macht einen Ausflug nach Wien, lernt dort den Kriegsheimkehrer Ferdinand kennen, der sich ebenfalls nicht im Nachkriegsösterreich in ein normales Leben einfindet und die zwei werden ein Paar. Ferdinand hält sehr sozialkritische Reden, weil er sich vom Staat um seine Jugend gebracht fühlt – was auch Christine empfindet. Das Buch endet damit, dass die beiden einen Raub planen, um auszuwandern. Sie wollen die Poststelle ausrauben, also sich beim Staat bedienen, weil sie das nicht als Raub empfinden. Ferdinand ist der Meinung, sich zu holen, was ihm zusteht.
Der erste Teil ist wundervoll zu lesen, herrlich geschrieben, während ich bei dem zweiten, bedrückenden Teil häufiger dachte: Da hätten sich die beiden doch auch anders verhalten können. Es ist so fatalistisch geschrieben. Wichtig (wenn auch nicht unbedingt neu) ist die Erkenntnis, wie man kaum in sein altes Leben zurückfinden kann, wenn man zwischenzeitlich völlig andere Erfahrungen gemacht hat.
2. März 2013